Was ist Legasthenie?

 

Legasthenie ist eine genetische Veranlagung im Menschen, die zu differenten Sinneswahrnehmungen und des Weiteren zu sogenannten Wahrnehmungsfehlern führt, also bspw. den Rechtschreibfehler. In Berührung mit Buchstaben oder anderen Symbolen kann sich beim legasthenen Menschen – je nach Tagesverfassung – Unaufmerksamkeit einstellen. Der/die Betroffene sieht das Symbol verzerrt, verschwommen, verrissen, entstellt. Es ist nachvollziehbar, dass hier die Aufmerksamkeit unbeständig ist.

Abgesehen von der genetischen Veranlagung kommt es auf die Einflüsse an, denen ein Kind ausgesetzt ist. Ganz zentral ist hier: WIE wird das Schulkind mit den Kulturtechniken Lesen und Schreiben und der neu zu erlernenden Symbolik in Berührung gebracht? 

  • Erfährt das legasthene Kind Verständnis und Anerkennung für seine tagesverfassungsabhängigen Leistungen? Oder wird es an der Leistung seiner Klassenkameraden gemessen und vor der Klasse vorgeführt?
  • Ist es in ein förderliches und geduldiges Umfeld gebettet, in dem seine speziellen Lernfähigkeiten beachtet werden? Oder wird es mit Zeitdruck und laut Lehrplan unterrichtet?

1995 erstellte Dr. Astrid Kopp-Duller eine pädagogische Definition von Legasthenie

Ein legasthener Mensch, bei guter oder durchschnittlicher Intelligenz, nimmt seine Umwelt differenziert anders war, seine Aufmerksamkeit lässt, wenn er auf Symbole wie Buchstaben oder Zahlen trifft, nach, da er sie durch seine differenzierten Teilleistungen anders empfindet als nicht legasthene  Menschen, dadurch ergeben sich Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens, Schreibens oder Rechnens.

Gab es Legasthenie schon immer?

Ja, es gab Legasthenie schon immer und es wird auch immer legasthene Menschen geben, da sie vererbt und unter bestimmten Einflüssen verstärkt oder vermindert wird. Noch lange vor dem Regelwerk der deutschen Sprache, das uns Rechtschreibregeln an die Hand gab, fiel eine Abweichung von der Rechtschreib-Norm nicht auf. Wichtig war vielmehr verstanden zu werden. Wie man daher ein Wort schrieb, blieb einem selbst überlassen.

Ab dem 19. Jahrhundert ist Legasthenie in das Interesse unterschiedlicher Berufsgruppen gerückt: zuerst waren es Ärzt:innen, die sich dem Phänomen annahmen, dann Psycholog:inn:en und Soziolog:inn:en und schließlich Pädagog:inn:en. Da sich erst Mediziner:innen der Erforschung verschrieben und sie als Krankheit klassifizierten und weitere Umwege in der Erforschung zu eigentümlichen Rückschlüssen auf die Intelligenz der legasthenen Menschen führten, haftet der Legasthenie bis heute in der Gesellschaft ein negativbesetzter Ruf an, der von Scham, Idiotie bis hin zu Faulheit reicht.

Legastheniker haben eine andere Wahrnehmung und anders ist einfach anders – ohne Bewertung. Es ist nicht Ziel in die Norm zu passen, das Leben ist bunt und vielfältig! Anderssein soll auch gefeiert werden! Jedoch ermöglichen uns die Kulturtechniken Lesen und Schreiben an der Gesellschaft teilzunehmen, uns einzubringen. Daher ist eine Förderung, die genau das erreichbar macht, hier so wichtig.

Ist Legasthenie eine Krankheit?

Nein! Legasthenie ist KEINE Krankheit, KEINE Störung, KEINE Schwäche und KEINE Behinderung. Legasthene Menschen haben genetisch bedingt eine andere, differente Informationsverarbeitung. Deshalb benötigen sie vor allem eine angepasste Unterrichtsmethode und eine individuelle didaktisch-pädagogische Förderung, die ihre Aufmerksamkeit, ihre Sinneswahrnehmung und ihr Lesen und Schreiben trainiert.

Legasthenie ist eine Veranlagung, die als solche nicht geheilt werden kann. Doch mit einer gezielten und langfristigen didaktisch-pädagogischen Förderung kann das legasthene Kind sein Lesen und Schreiben wesentlich verbessern und wird so gestärkt und verstanden von der Schule ins Erwachsenenleben übertreten können.

Ein Video für dich

Passend dazu verlinke ich hier einen berührenden Kurzfilm „I wonder“, der Einblick gibt, wie ein von Legasthenie geprägter Werdegang aussehen kann und wie verheißungsvoll es ist, für sich und seine Andersartigkeit einzustehen:

Der Kurzfilm „I Wonder“ (Drehbuch und Regie: Olivia Nigl) spricht nicht nur die schmerzhaften Erfahrungen einer jungen Frau mit Legasthenie an, sondern auch Humor, Lebensfreude und Zukunftsperspektiven. Dadurch sollen die Zuschauer eingeladen werden, sich mit dem Thema Legasthenie auseinanderzusetzen. Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie (BVL) hat dieses Filmprojekt mit unterstützt.

 

Sei gut zu dir;
Daniela