Kennst du das auch? Erst geht es Vollgas voran und plötzlich rattert’s im Getriebe. Stillstand. Nein, ich bin nicht unter die Mechanikerinnen gekommen (obwohl es mich auch reizt), nein. Ich mein’ das bildlich fürs Lernen.
In diesem Blogpost möchte ich dir erklären,
- was es mit flachen Lernphasen auf sich hat,
- wie du die Zeiten, in denen scheinbar nichts mehr vorangeht, am besten nutzen kannst und
- welchen Mehrwert sie deinem Lernen schenken.
So viel schon vorab: Du lernst auch, wenn es mal nicht steil bergauf geht! Doch in Phasen mit einem flachen Lernfortschritt, sinkt die Motivation häufig und die Ausfallrate steigt. Es trennt sich häufig die Spreu vom Weizen und nur wer auch im Leerlauf dran bleibt, schafft den nächsten Sprung voran!
Aber nochmal von Anfang an und mit Poesie:
„Und jedem Anfang liegt ein Zauber inne.“
So heißt es in dem schönen Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse. So startet auch (meist) so manches Lernprojekt unter einem gewissen Schutz und einer Magie.
So soll es sein! Oder doch nicht?
Da bist du also hochmotiviert am gewählten Lernprojekt (zuhause, in der Klasse, vor dem PC) und die Zuwachsrate an Wissen schnellt nach oben. Jippi! Erfolgserlebnis! Bestätigung! Ja! So soll es sein!
Aber ist ja auch irgendwie klar… Noch vor einer Stunde, einer Woche, einem Monat war das Wissen gleich Null und plötzlich, weißt du schon so viel! Der Lernerfolg ist dadurch ganz offensichtlich und absolut objektiv.
Es ist ein Hochgefühl! Es motiviert zu mehr lernen und die Neugier wächst und das Wissen auch und man macht so weiter und will, dass es niemals endet und immer mehr und detaillierter wird.
Und dann?
Dann rattert’s plötzlich im Getriebe.
Deinem Gehirn ist das erstmal schlichtweg genug Input.
Puff und weg ist er der Zauber?!
Der Zauber des Anfangs, der uns antreibt, verändert sich. Er wird konkreter. Handfester. Am Anfang lief es noch großschrittiger ab, die Inhalte konnten schnell aufgenommen werden und jetzt wird der Lernfortschritt, naja… „zäher“, kleinschrittiger.
Irgendwie wie bei der Liebe auf den ersten Blick. Irgendwann weicht die Verliebtheit, seinen oder ihren Ecken und Kanten, die es auch zu lieben lernen gibt.
Jede/r hat ihren/seinen Rhythmus.
Die steile Lernkurve zu Anfang und dann die Ankunft auf dem weiten gähnenden Plateau. Wann man auf dem ersten Plateau ankommt, ist ziemlich individuell.
Ich kenn’ es aus dem Unterricht: Wenn ich mit Erwachsenen im DaF Unterricht sitze, erlebe ich sehr deutlich: die ersten Dialoge, Hörbeispiele, Sätze und Texte sind ein aufregendes Erlebnis. Die Lust nach mehr ist da, man hat ja große (Sprach-/Lern-)Ziele und will vorankommen!
Dann aber stellt sich irgendwann ein unsichtbarer Riegel vor: mal wegen innerer Blockaden (frei nach dem Motto „Ach, das wird jetzt zu schwer für mich! Das schaff ich nie. “), mal als natürlicher Vorgang, den ich gleich näher beschreiben will.
Was ist mit „Plateau“ eigentlich gemeint?
Es ist eine Phase, in der weniger neuer Wissens-Zuwachs geschieht. In einer Grafik kannst du es dir so vorstellen, wie den flachen Fortlauf einer Linie, nach dem Anstieg. Zwar ist eine flache Linie besser als eine absteigende. Ja, klar! Eine flache Lernprogression ist aber für Lerner*innen oft kaum zu verschmerzen, man will ja nur eins: vorankommen und das pronto! Häufig kommen Selbstzweifel auf:
- Bin ich zu dumm?
- Lerne ich falsch?
- Bin ich überhaupt für dieses Fach gemacht?
Selbstzweifel hat man oft und gerne, sind aber auch hier fast immer fehl am Platz. Eine streckenweise flache Lernprogression ist Teil des Lernens und – das habe ich herausgefunden – haben und machen Sinn!
Lernen ist wie… ein Frühjahrsputz!
Ich stelle es mir vor wie einen Frühjahrsputz oder einen Verdauungsspaziergang fürs Gehirn.
Einfach eine Phase, in der wir mal Halt, Stopp, Ende rufen (nicht immer bewusst), um all die neuen Eindrücke, Erfahrungen oder Wissenszuwächse zu „verdauen“ und richtig wegzuräumen.
Flache Lernphasen helfen alles bisher Aufgenommene noch mal zu verdauen, zu reflektieren, an den richtigen Ort zu schaffen!
Das Gehirn, unsere Erfahrungswelt, unser System braucht mal Zeit, um alles Wissen an den rechten Platz zu schieben, wenn nötig auszumisten, zu etikettieren und dann richtig gut am passenden Platz zu verankern.
Schau mal auf die Vorteile!
Ein flacher Lernfortschritt löst beim Lernenden häufig Frust und Ungeduld aus. Man ist unzufrieden mit der eigenen Leistung, verliert die Freude am gesamten Projekt und lässt es im schlimmsten Fall (abgesehen von schlechten Noten) ganz sein.
Da hilft es, die Sache mal von einer anderen Seite zu betrachten. Vermeintliche Leerphasen beim Lernen haben nämlich gute und wichtige Vorteile! Um sie zu nutzen braucht es eine gewisse Gelassenheit und Vertrauen in das eigene Können.
Ist der Lernende erstmal in einer flachen Lernphase angekommen, es gelingt ihm also nicht viel Lernstoff aufzunehmen, ist es gut sich folgende Punkte vor Augen zu führen:
- Es ist jetzt Zeit zum Üben und Eintrainieren von bereits Gelerntem.
- Es ist ein Moment, in dem wir Geduld mit und Vertrauen in uns selbst üben können.
- Es ist hilfreich diese Phasen für einen Rückblick zu nutzen und sich bewusst zu werden, was man schon alles geschafft hat und wie weit man auf dem Lernweg gekommen ist.
- Das Gehirn leistet in diesen Phasen sehr viel und ist keineswegs untätig!
Und ganz wichtig:
Lernfortschritt ist auch in solchen Phasen gegeben!
Es ist nicht immer der eilige Schritt voran, der zählt.
Es ist auch die Festigung und das In-die-Tiefe-gehen von großer Bedeutung!
Dalli-dalli! Oder lieber slow-down?
Nochmal zum Beispiel Sprachenlernen:
Wie viele Schnellkurse gibt es, die in 30 Tagen das Beherrschen einer Sprache versprechen?! Ein richtiger Eyecatcher, gerade gestern habe ich eine solche Ad auf Facebook gesehen.
Aber überlegt man mal kurz: Was schafft man in solchen 30 Tagen Schnellkurse tatsächlich? Kann man ein breites Verständnis, Vokabular erwerben?
Aus eigener Erfahrung in der Sprachschule weiß ich, dass Schnellkurse eine attraktive Wahl sind, um schnell die Anfangsstufen zu erlernen. Ruck-zuck und schon ist man auf Niveau A1 und zack weiter auf A2. Bei den Teilnehmer*innen habe ich aber sehr häufig folgendes bemerkt: Am Ende des Kurses wissen sie kaum, wie sie an diesen Punkt gekommen sind und sind unsicher, ob und wie sehr sie sich auf ihre neuen (Sprach-)Kenntnisse verlassen können. Das Vertrauen in die neuen Fähigkeiten fehlt sehr oft – weil keine Zeit dafür da war, sie zu erproben.
Vertikales oder horizontales Lernen?
Wenn man eine Sprache (oder irgendetwas Anderes) SCHNELL lernt, ist das häufig ein vertikales Lernen: Man schnellt in die Höhe. Kennt die nötigsten Begriffe, Konzepte, Strukturen und nichts weiter.
Umfangreiches Beherrschen, sicheres Können und Souveränität hingegen erwirbt man erst, wenn man in die Breite und Tiefe eines Themas einsteigt. Da kennt man dann plötzlich nicht nur die Grundstruktur des Lernfaches, sondern Verknüpfungen, Alternativen, Ausführungen und besitzt ein breites, umfangreiches Wissen.
Nochmal an dieser Stelle:
Flache Lernphasen dienen dazu: in die Tiefe gehen, nicht nur in die Höhe!
Mein Herzenstipp an dich!
- Nimm dir bewusst Zeit, um Inhalte zu vertiefen, sei geduldig und hartnäckig. Wahre Meister wird man nicht über Nacht, sondern durch Beständigkeit und einen langen Atem!
- Bleib dran! Jetzt kannst du so viel dazugewinnen!
Kannst du dich an die Spreu vom Weizen von ganz oben erinnern? Genau.
Viele geben in Phasen von geringem Lernzuwachs auf. Sie hören auf Deutsch zu lernen, machen den Klavierdeckel zu, klappen den PC zu, legen das Buch zur Seite, schalten den Podcast aus… Und kommen zum Trugschluss (der auch weiteres Lernen erschweren wird:) Es hat ja eh keinen Sinn. Dafür bin ich nicht gemacht!
Überleg es dir nochmal, und dann nochmal, bis du – so wie ich – zum Schluss kommst: DU hast das Zeug dazu!
- Du kannst alles lernen, was dir Freude bringt! Deine Motivation ist dein Feuer! Bleib dran und glaube an dich! So schaffst du den Sprung aufs nächste Niveau!
- Nutz die Zeit der Leere, um das zu wiederholen, was du bisher gelernt hast. Wiederhole, bis es richtig tief sitzt und du es aus dem FF beherrschst. Ist es der Griff auf der Geige? Der Satzbau, der dir nie richtig über die Lippen kommt?
- Widme deinem Lernprojekt deine Aufmerksamkeit! Du wirst so viel mehr Lernen, als nur das nächste und übernächste Kapitel. Du kannst nun in die Umsetzung gehen, das Üben und Erproben, was schon da ist und es mit Alternativen erweitern.
- Try again and again! Auch wenn es sich wie in einer Endlosschleife anfühlt, nimm die Situation an. Probier es wieder. Und wieder. Der Moment kommt, in dem dir ein Knopf aufgeht!
- Mein Rat für deine Lernmotivation: freue dich über das, was ist und schätze all das, was du schon geleistet hast!
Wo bist du im Moment in deinem Lernprozess? Was fällt dir leicht, was schwer?
Sei gut zu dir!
Daniela